Morteratsch­gletscher in Vergangenheit und Zukunft

VR Glacier Experience entstand durch die enge Zusammenarbeit verschiedener Wissenschaftler: Das innovative Forscherteam um das Projekt MortAlive, die Spezialisten der visuellen Wissensvermittlung der Zürcher Hochschule der Künste und die Geowissenschaftler der Universität Freiburg. Während fast zwei Jahren tauschten sie sich aus, verarbeiteten aktuellste Modellrechnungen, verpackten diese in Geschichten und vereinten alles im 3D-Design. Komplexe Zusammenhänge werden durch VR Glacier Experience für eine breite Öffentlichkeit verständlich.

Gletscher im Wandel der Zeit

Vor ungefähr 20'000 Jahren lagen die Alpen, mit Ausnahme der höheren Gipfel, unter einem dicken Eispanzer. Diese letzte Eiszeit ging vor ca. 15'000 Jahren zu Ende. Um 1860 endete der letzte Vorstoss des Morteratschgletschers kurz vor dem heutigen Bahnhof «Morteratsch». Heute schmelzen die Gletscher im Rekordtempo. Zurück bleiben Felsen, Geröll und zahlreiche neue Seen. Mit dem Gletschereis schmelzen aber auch die Süsswasserspeicher. Werden die Gletscher immer kleiner, nimmt auch der Anteil des Schmelzwassers in den Flüssen ab. Dies wirkt sich besonders in trockenen Sommern aus, nicht nur in den Alpen, sondern in Gebirgsregionen der ganzen Welt.

Morteratsch-Bildvergleich 1900-2012

Copyright: Jürg Alean, www.swisseduc.ch/glaciers

Gletscher-Modell der Universität Freiburg

Am Morteratschgletscher wird seit rund 150 Jahren geforscht und gemessen. Basierend auf diesen Daten und langjährigem glaziologischem Knowhow hat die Universität Freiburg ein detailliertes Berechnungsverfahren entwickelt, um die Veränderung des Gletschers dreidimensional erfassen zu können. Dieses Gletschermodell wurde mit der neusten Generation der Schweizer Klimaszenarien angetrieben, um die zukünftige Entwicklung des Gletschers und des Wasserabflusses zu berechnen.

Gletscherrückgang: Vergangenheit und Zukunft

Der Rückgang des Morteratschgletschers in den letzten 150 Jahren war gewaltig: Die Gletscherzunge hat sich um drei Kilometer zurückgezogen, und der ganze Gletscher hat zwei Drittel seines Volumens verloren. Die Temperatur ist seit Messbeginn im Engadin um fast 2°C angestiegen. Die künftige Veränderung des Gletschers wurde für drei Szenarien berechnet:

  1. Starker Klimaschutz mit einer drastischen Reduktion der CO2-Emissionen weltweit.
  2. Moderater Klimaschutz mit geringerem Treibhausgas-Ausstoss als heute.
  3. Kein Klimaschutz mit ungebremstem CO2-Ausstoss bis 2100.

In jedem Fall ist ein weiterer massiver Volumenverlust des Gletschers zu erwarten. Selbst bei einer günstigen Klimaentwicklung werden zwei Drittel der noch vorhandenen Eismassen abschmelzen und ohne massive Reduktion des CO2-Ausstosses fast alles. Der Gletscherrückgang geht auch mit einem deutlichen Rückgang des Abflusses im Sommer einher, besonders ohne Reduktion der CO2-Emissionen.

Künstliche Beschneiung des Gletschers

Seit einigen Jahren wird über eine mögliche Rettung des Morteratschgletschers mittels künstlicher Beschneiung diskutiert. Die Schneeproduktion mit neuer Technologie, sowie die Verfügbarkeit des benötigten Wassers wurden in das Gletschermodell eingebaut, um aufzuzeigen, welchen Einfluss dies auf die Eisreserven hat. Die Berechnungen der Universität Freiburg zeigen, dass ein weiterer Rückgang des Morteratschgletschers nicht aufgehalten werden kann. Der beschneite Teil der Gletscherzunge bleibt zwar bestehen, trennt sich aber ab ca. 2050 vom Rest des Gletschers ab. Die Knacknuss ist vor allem das Wasser für die Schneeproduktion: Selbst mit einem grossen künstlichen Stausee auf der Isla Pers, könnte nicht genug Schnee produziert werden.

Der Abschlussbericht der wissenschaftlichen Studie «Morteratschgletscher 2020-2060 – Klimaszenarien und Gletscherentwicklung» der Universität Freiburg zeigt auf, dass MortAlive einen positiven, jedoch geringen Effekt auf den Gletscherrückgang hat und die Technologie zur Schneeproduktion über die gesamte Projektdauer (ca. 2030-2060) anwendbar ist, falls ein künstlicher Speichersee bereitsteht. Die glaziologische Machbarkeitsstudie macht aber auch deutlich, dass eine Umsetzung von MortAlive den Morteratschgletscher auch unter der günstigsten Klimaentwicklung nicht stabilisieren könnte.

Für die Universität Freiburg haben Martin Hoelzle, Andreas Linsbauer, Matthias Huss, Enrico Mattea, Bruno Meeus und Christine Levy am Projekt gearbeitet.

MortAlive

Eine frische Schneeschicht auch während den Sommermonaten kann das Sonnenlicht reflektieren und so den Gletscher schützen. Das ist der Ursprungsgedanke von MortAlive. Nur, wie schneit es mitten im Sommer? Übliche Schneilanzen kommen aufgrund der Gletscherbewegungen nicht in Frage und auf elektrische Energie für den Wassertransport und die Schneeerzeugung will die Anlage verzichten. Innovationsgeist war gefragt und wurde mit den Beschneiungspionieren, der Bächler Top Track AG und Bartholet Maschinenbau AG gefunden. Sie entwickelten NESSy ZeroE, das steht für «Neues Energieeffizientes Schneisystem». Damit lässt sich ohne Strom künstlichen Schnee herstellen, aus Schmelzwasser, einer Strahlpumpe, genügend Wasserdruck und mit einer raffinierten Technologie. Diese bahnbrechende Entwicklung ist bereits patentiert.

Unter den heutigen Klimabedingungen würde die Gletscherzunge nach zehn Jahren wieder anfangen zu wachsen, wenn ein Quadratkilometer des Gletschers die ganze Zeit schneebedeckt bleibt. Auch bei einem Temperaturanstieg kann MortAlive die Gletscherschmelze abbremsen.

Hinter MortAlive stecken die beiden Wissenschaftler Felix Keller und Johannes Oerlemans.

Reflektion Sonnenlicht

Reflektion Sonnenlicht by Andy Pfenninger

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